In der SPIEGEL Print-Ausgabe vom 20.12.08 erschienen unabhängig voneinander drei Artikel, die sich direkt oder indirekt mit aktuellen Formen von Journalismus auseinander setzen.
Das Betselem Camera Distribution Project verteilte 130 Kameras an Palästinenser im Westjordanland, damit sie die Übergriffe israelischer Siedler und Soldaten dokumentieren.
Was auffällt, ist, dass die Videokamera in den Händen von Laien hier nicht nur als zufälliger Zeuge (wie zb bei den Privatvideos vom Tsunami oder den Handyfilmen der Londoner U-Bahn Bomben) eingesetzt wird, sondern als Stimme oder gar Waffe. Der Artikel erwähnt auch, daß "die meisten der Amateurfilmer Frauen sind, die häufig von ihren Häusern aus dokumentieren, was auf der Straße passiert." (fussnote: die alten Klisches, daß Frauen und Technologie und muslime Frauen und Stimme-erheben nicht vereinbar sind, erweisen sich mal wieder als nicht haltbar).
Alexander Osang hat wieder einen für ihn typischen Artikel geschrieben (hier ein link zu einem alten Artikel von ihm, der auch mit Information und Berichterstattung zu tun hat): man fängt an zu lesen, weil die Überschrift ein spannendes Thema verspricht. Nach ein bis zwei Seiten blättert man zurück an den Anfang, um heraus zu finden wer der Verfasser dieser aufschlußreichen und gleichzeitig elegant geschriebenen Beobachtungen und Gedanken ist. Osangs langen Reportagen und Portraits entführen einen für die Dauer des Lesens in die Welt ihrer Protagonisten und wirken dann lange nach. Eine Qualität, die mir in deutschen Blättern selten unterkommt und die mich manchmal den New Yorker vermissen lassen.
In Amerika müssen große Zeitungsverlage zur Zeit mit gravierenden Auflagen- und Anzeigenrückgängen kämpfen, viele Lokalzeitungen werden eingestellt. James Macpherson spart Geld und läßt für seine Online Zeitung "Pasadena Now" billig in Indien schreiben. "Montags beispielsweise verfolgen die indischen Journalisten aus der Ferne die Stadtratsitzung in Pasadena. Die Beratungen des Bürgermeisters und der Stadtverordneten werden per Podcast oder Live-Video übers Internet übertragen. Dann setzen sich die Lokalreporter vom Subkontinent hin und texten Schlagzeilen für ihr kalifornisches Publikum." beschreibt der Artikel im SPIEGEL "Über hundert Angestellte arbeiten für Mindworks Global Media in einem Vorort von Neu-Dehli. Sie gelten als anpassungsfähig und schnell. Neukunden sind in der ersten Woche mit etwa 25 Prozent der aus Neu-Delhi gelieferten Überschriften unzufrieden- spätestens nach zwei Monaten gäbe es kaum noch Änderungsbedarf". "In Pasadena hat James Macpherson die Neuerfindung des Journalismus derweil noch weiter getrieben. Er setzt jetzt vor Ort kostenlose Freiwillige ein, meist Rentner, die mit Videokameras nach seinen Anweisungen zum Beispiel Pressekonferenzen filmen - wie ferngesteuerte Roboter. Dann überträgt er die Videos nach Indien und lässt seine Schreib-Profis dort die passenden Artikel verfassen."
Friday, December 26, 2008
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